Jobbik gewinnt erstmals Direktmandat, anhaltende Abwärtsbewegung bei FIDESZ

Bei den Nachwahlen von Tapolca gibt es eine kleine Revolution an der Wahlurne

Tapolca, ein ca. 16000 Einwohner großer Ort im Westen Ungarns, zählt nicht gerade zu den bekanntesten Städten des Landes. Angesichts seiner Größe dürfte es kaum überraschen, dass jenseits der ungarischen Grenzen lediglich regelmäßige Balaton-Urlauber je von ihm gehört haben. Und doch steht die Stadt seit dem vergangenen Sonntag symbolhaft für eine politische Trendwende, die dabei ist, das gesamte Land zu erfassen.

Tapolca die zweite Nachwahl binnen zwei Monaten

An jenem 12. April nämlich fand dort eine Nachwahl zum ungarischen Parlament statt, die nötig geworden war, weil der amtierende Inhaber des Direktmandats für Tapolca, FIDESZ-Mann Jenő Lasztovicza, im Januar verstorben war. Die Nachwahl und damit das Direktmandat für das nationale Parlament gewann der Kandidat der Rechtspartei Jobbik, Lajos Rig. Zwar kann dem Urnengang nicht die gleiche Bedeutung zugemessen werden wie jenem in Veszprém vor zwei Monaten. Dort musste ebenfalls ein Direktmandat neuvergeben werden, welches bis dahin der nunmehr als EU-Kommissar in Brüssel waltende Ex-Parlamentarier Tibor Navracsics innegehabt hatte. Die Regierungspartei FIDESZ verlor dabei durch ihre Niederlage auch ihre verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit, was international Beachtung fand.

FIDESZ von Skandalen geschwächt

Dennoch darf die landesweite Wirkung der Wahl von Tapolca keineswegs unterschätzt werden. Der erstmalige Sieg eines Jobbik-Direktkandidaten – wenn auch mit etwa 200 Stimmen Vorsprung durchaus knapp – spiegelt zum einen die gewachsene Bedeutung der Partei in der ungarischen politischen Landschaft wider. Jobbik hat sich als stärkste Oppositionskraft konsolidiert und so ihre von Parteichef Gábor Vona mehrfach verkündete Rolle des „ersten Herausforderers von FIDESZ“ unterstrichen. Zum anderen aber verfestigt sich mit Tapolca auch der seit längerem zu beobachtende Trend hin zu einer Erosion der Machtbasis von FIDESZ. Bemerkenswert ist dabei, dass die Regierungspartei es trotz massiver Präsenz ihrer namhaftesten Führungskräfte nicht schaffen konnte, ihren weiteren Popularitätsverlust anhand von Wahlergebnissen aufzuhalten. Dass sich neben Parlamentspräsident László Kövér auch Regierungschef Viktor Orbán persönlich in den Wahlkampf eingeschaltet hatte, verbesserte offenbar nicht die ungünstigen Startbedingungen für den FIDESZ-Kandidaten Zoltán Fenyvesi, dessen Partei in den vergangenen Monaten gleich wegen mehrerer Skandale Beliebtheit eingebüßt hatte. Neben der geplanten Einführung einer Internetsteuer, dem neuen Ladenschlussgesetz und mehreren Korruptionsaffären hatte FIDESZ vor allem geschadet, mit dem jüngsten Brokerskandal in Verbindung gebracht zu werden. So machten im März 46 % der Teilnehmer an einer Umfrage die aktuelle Regierung dafür verantwortlich, dass Brokerfirmen jahrelang ihre Geschäfte zum Verlust von Sparern vorangetrieben hatten. Weitere 30 % machten immerhin „alle bisherigen Regierungen“ (also auch die beiden letzten von FIDESZ) dafür verantwortlich, wie das Umfrageinstitut Median im Auftrag der Zeitschrift hvg ermittelte.

Wachsendes Lager der Nichtwähler

Neben dem sich verfestigenden Abwärtstrend der Regierungspartei und dem Aufstieg von Jobbik sind zwei weitere Fakten in Verbindung mit der Nachwahl vom Sonntag augenscheinlich: zum einen die Tatsache, dass das zersplitterte Linkslager nach wie vor nicht in der Lage ist, Profit aus dem Popularitätsverlust von FIDESZ zu schlagen; zum anderen die wachsende Politikverdrossenheit als mehr und mehr konstituierendes Merkmal der politischen Lage im Lande. Da viele ehemalige FIDESZ-Anhänger angesichts der geschilderten Skandale lieber zuhause blieben, konnte Jobbik die Wahl auch ohne wesentliche Zuströme von neuen Wählern gewinnen, wobei die Gesamtzahl an Stimmen für Vonas Partei im Vergleich zur Parlamentswahl vor einem Jahr relativ unverändert blieb.

Tapolca ist damit auch ein Sinnbild für das Anwachsen des Nichtwählerlagers auf nationaler Ebene: in der Median-Erhebung vom März gaben landesweit 37 % der Befragten an, für keine der zur Wahl stehenden Parteien stimmen zu wollen. 24 % gaben als erste Präferenz FIDESZ an, 15 % Jobbik, 11 % die sozialdemokratische MSZP.

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